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Einblicke/ Ausblicke

Das Theatrium ist ein Phänomen. Punkt. Doch was wäre das Theatrium ohne all die phänomenalen Menschen, die hier über die Tage, Wochen, Jahre ein und ausgegangen sind? In unserer neuen Serie „Einblicke/Ausblicke“ wollen wir sie vorstellen.

Heute mit Christin Stützer, Lanzenbrecherin für Inklusion, die Belange der jungen Menschen und sozialpädagogische Leitung des Theatrium.

Liebe Christin, vielen Dank, dass du dich meinen Fragen stellst. Zum Anfang zehn schnelle Fragen zum warm werden:

Kaffee oder Tee?
Kaffee. Oder doch Tee?

Frühling oder Herbst?
Beides

Frühaufsteherin oder Nachteule?
Nachteule – trotz frühen Aufstehens

Buffet oder a la carte?
À la carte

Club oder Konzertsaal?
Konzertsaal

Haustier oder Zimmerpflanze?
Zimmerpflanze, auch wenn sich Zimmerpflanzen vor mir sicherlich fürchten.

Kino oder Fernseher?
Kino, aber eigentlich gehe ich am liebsten ins Theater

Frühstück oder Abendessen?
Abendessen

Gemälde oder Foto?
Foto

Abendgarderobe oder Jogginghose?
Jogginghose

Kommst du so langsam rein? Ja? Dann, vervollständige bitte folgende Sätze:

Im Theater sitze ich am liebsten …
Parkett, Mitte in der Mitte

Wenn ich mich unbeobachtet fühle, passiert es mir schon mal, dass…
Ich fremde Menschen anstarre

Manchmal frage ich mich, ob…
das mit dem Sinn hinterfragen Sinn hat

Einmal habe ich während einer Vorstellung im Theatrium …
meine Augen zugehalten

Entschuldigung, aber man wird ja wohl nochmal sagen dürfen, dass…
man manche Menschen einfach nicht ausstehen kann.

Warm geworden? Gut, dann erzähl uns doch bitte ein bisschen was über dich!

Ich bin Christin und aktuell als sozialpädagogische Leiterin am Theatrium angestellt. Meine Hobbys sind ganz oft auch Arbeit. Wie ab und zu an Theaterproduktionen in der freien Theaterszene mitzuwirken. Aber sonst verbringe ich meine Freizeit mit meiner Tochter draußen oder beim Klettern und Freund*innen in Kneipen und bei Spieleabenden. Ich fotografiere auch gern.

Einige sagen ja, das Hobby zum Beruf machen wäre die optimale Lösung – der Spaß wäre bei der Arbeit garantiert. Andere wiederum behaupten das Gegenteil – was eigentlich Spaß macht artet plötzlich in Arbeit aus. Wie war das bei dir? Ist das Hobby zum Beruf geworden, oder der Beruf zum Hobby?

Generell finde ich das mit dem Hobby zum Beruf machen gar nicht unbedingt erstrebenswert – man hat dann ja gar kein Hobby mehr.

Bei mir ist aber im Endeffekt das Hobby zum Beruf geworden. So sehr sogar, dass es mir ganz lang schwerfiel, den Berufsblick bei Theatervorstellungen, die ich in meiner Freizeit sah, nicht allzu sehr aufzusetzen. Das wird aber besser. Ich habe eine gute Waage gefunden, dass ich Theater einfach „sehen“ kann, die Gefühle spüren kann und dann aber trotzdem danach, wenn es sich ergibt, in eine Diskussion gehen kann…das mache ich aber auch einfach gern.

Aber eine Antwort auf „Was ist dein Hobby“ im klassischen Sinn kann ich nicht geben.

Als du angefangen hast soziale Arbeit zu studieren, hattest du doch sicherlich eine Vorstellung davon, wo es dich mit Abschluss hin verschlagen könnte, oder? Jetzt erzähl mal, warum es im Theatrium einfach so viel besser ist!

Mein Ziel mit dem Studium war immer inklusive Kultursozialarbeit oder Schulsozialarbeit. Inklusive Kultursozialarbeit mit dem Traum eines eigenen inklusiven Theaters. Da bin ich ja nun gar nicht so weit weg vom Weg abgekommen. Ob es nun am Theatrium so viel besser ist, weiß ich nicht, da ich mein eigenes Theater – noch? – nicht hatte.


Dreh und Angelpunkt unseres Gesprächs ist ja das Theatrium. Erinnerst du dich noch, wann und wie du das Theatrium kennengelernt hast?

Eine damalige Mitstudentin von mir erzählte mir vom Theatrium. Sie spielte bei Casablanca mit und ermutigte mich, doch mal vorbeizukommen. Ich wollte damals eine neue Art der Theaterarbeit kennenlernen, also schrieb ich mich für ein Projekt ein „Im letzten Augenblick“ damals von Sandra und Peter geleitet. Das war 2012.

Eine kurze Momentaufnahme: was/wie/wer war das Theatrium zu dem Zeitpunkt?

Hm, schwierig also damals war es erstmal ein Theater für mich, mit der Möglichkeit mich neu auszuprobieren.

Wie sieht dein Werdegang am Theatrium aus?

Relativ schnell bin ich dann in die Tiefen des Theatriums eingetaucht. Sodass ich trotz meiner Teilnahme als Spielerin, eigentlich nicht wirklich sagen kann, wie es tatsächlich ist Spielerin zu sein, weil ich irgendwie immer verschiedene Rollen am Theatrium hatte. Ich hab z.B. parallel zu meiner Teilnahme bei „Im letzten Augenblick“ mein Praxissemester im Theatrium gemacht 2012/13. Ab da war ich bei fast allen Projektleiter*innen, die seit dem dort waren schon Projektassistent*in. Und meist nicht nur bei einem Projekt im Jahr, denn ziemlich schnell war ich für die jährlichen Kurzprojekte gesetzt – als Projektleiterin, immer zusammen mit diversen anderen Projektleiter*innen. Ich muss und möchte auch sagen, dass ich da Beate und auch Sandra viel zu verdanken habe. Warum auch immer haben vor allem diese beiden Frauen sehr schnell Vertrauen in meine Fähigkeiten und generell in mich gehabt. Naja und nun bin ich seit August 2017 festangestellt. Das ist tatsächlich so ein Werdegang von der Ehrenamtlichen zur Festangestellten. Ehrenamt scheint sich also nicht nur fürs Karma zu lohnen.

Mein Werdegang war da ja ganz ähnlich. Unzählige Projektassistenzen und immer da, wenn irgendwo eine Hand gebraucht wurde. Ich denke, es wäre an der Zeit für ein Loblied auf das Ehrenamt im Allgemeinen und die Arbeit der Regieassistent*innen im Speziellen. Du fängst an!

Ehrenamt finde ich als Wort auch sehr spannend. Es klingt als wäre es eine Ehre selbstlos ein Amt inne zu haben. So wird es manchmal auch gesehen. Ich würde es gern einmal umdrehen. Eigentlich ist es für alle Institutionen eine Ehre, dass Menschen sich engagieren. Was viele nicht wissen, Ehrenamt ist fest eingeplant auch politisch. Gäbe es also niemanden, der oder die sich ehrenamtlich engagieren würde, stünde besonders die soziale Struktur auf noch wackeligeren Beinen. Manchmal ist Ehrenamt richtige Scheißarbeit, die Arbeit, die liegen bliebe und ehrlich gesagt manchmal auch die Arbeit auf die man mal keine Lust hat. Ganz oft können aber durch Ehrenamtler*innen auch endlich mal Dinge getan werden, für die sonst die personellen Ressourcen nicht reichen. Zum Beispiel individuelle Beschäftigung oder Ausflüge mit Klient*innen/zu Betreuenden etc.  Ihr Ehrenamtler*innen wisst leider gar nicht, wie unendlich dankbar wir euch sind.

Auf uns bezogen möchte ich auch einen kleinen Einblick geben, dass hier vor allem alle Projektleiter*innen um den Einsatz eine/r Projektassistent*in kämpfen. Ohne euch wären auch viele Projekte, Aktionen oder Ideen nie zustande gekommen. Ihr helft uns aus unserem Tunnelblick heraus, ihr habt tolle Ideen, ihr seht manchmal mehr, was die jungen und älteren Menschen hier beschäftigt, ihr macht es möglich, dass wir unser Hygienekonzept umsetzen können und überhaupt probenfähig sind im Moment, ihr schreibt alles auf, ihr vertretet uns sogar manchmal wenn wir krank sind, ihr bringt durch eure Erwärmungen im Probenlager alle auf Betriebstemperatur, ihr bringt neue Impulse, ihr seid ein Anker, ihr seid unglaublich kostbar und wir danken euch für eure Arbeit, die ihr leistet obwohl ihr eigentlich Freizeit hättet. Ihr seid vor allem nicht selbstverständlich und es ist keine Ehre, dass ihr hier sein dürft, es ist eine Ehre, dass wir immer auf euch zählen können und ihr unser Haus so sehr bereichert.

Was ich eigentlich allen, die ehrenamtlich arbeiten sagen will: Danke!

Wow, danke. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Die Gesprächspartner*innen in einem lang vergangenem Sommer

Hast du eine schöne/ spannende/ lustige oder einfach merkwürdige Anekdote parat?

Es war im November 2015 in dem Kurzprojekt „Unter Deck“. Da war Constanze künstlerische Leiterin des Projektes und ich die sozialpädagogische. Wir spielten „Ninja“ und ich stand zwischen Constanze und Michel. Bei dem Spiel habe ich meinen Körper und somit auch meine Hände und Finger sehr angespannt und stand im Freeze. Michel war dran zu versuchen jemandes Hand „abzuschlagen“. Er holte aus und traf frontal auf meine Fingerspitzen, das tat weh. Spontan hab ich mich aus dem Kreis bewegt und mich ruckartig nach vorne gebeugt und dabei mit meiner Stirn eine Stuhllehne an der Ecke mitgenommen. Ich musste vor Schmerz und lachen ein bisschen weinen. Die Stimmung im Raum war zwischen Lachen und Besorgnis. Aber es muss einfach unglaublich witzig ausgesehen haben. Michel hat sich übrigens im Laufe der Zeit ungefähr 120 Mal bei mir entschuldigt.

Kannst du sagen, inwieweit das Theatrium dich und deinen Lebensweg beeinflusst, vielleicht sogar geprägt hat?

Spontan kam mir der Gedanke, dass es mir ermöglicht hat an einem Theater zu arbeiten und davon leben zu können. Ich weiß auch durch die vielen Projekte viel besser, was ich künstlerisch mag und kann.

Und was noch wichtiger ist, es gibt einige Menschen, die ich hier kennengelernt habe, die meinen Lebensweg stark geprägt haben – positiv als auch negativ. Es gab auch ein paar einschneidende Erlebnisse an denen ich auf jeden Fall gewachsen bin. Und ich bin im Laufe der Zeit etwas weniger engstirnig mit einigen Themen geworden, bei manchen Themen aber auch klarer im Kante-zeigen, weil man einfach so viele Menschen kennenlernt und sich mit unzähligen Themen auseinandersetzt und spannende Diskussionen führt, die gut helfen Perspektiven und Lebenswelten kennenzulernen und die eigene zu reflektieren.

Was würdest du uns aus deiner jetzigen Sicht gerne mit auf den Weg geben?

Wir dürfen auf jeden Fall nicht den Blick fürs Wesentliche, für aktuelle Themen, neue Ansätze und gleichzeitig eine gesunde Demut vor dem was wir haben verlieren.

Wenn ich diese Frage jetzt auf meine Theatrium-Vergangenheit beziehe, würde ich sagen, dass es manchmal ganz schön chaotisch war in Absprachen. Einige Male wurde ich als Projektassistentin mit Entscheidungen sehr überrascht. Z.B. dass ich ein völlig anderes Projekt begleiten soll. Kommunikation und Wertschätzung mit und gegenüber Ehrenamtlichen. Also nicht falsch verstehen, ich denke die meiste Zeit war geprägt von großer Wertschätzung, aber ab und zu fühlte ich mich wie ein schnell verfügbares Gut. Ich glaube als ich dieses Gefühl hatte, hat Beate zu mir gesagt „Ich glaube du musst lernen auch mal nein zu sagen“.

Und zuletzt: Was wünschst du dir?

Fürs Theatrium: Dass es lebt.

Für uns: Dass wir zusammenhalten.

Für mich: Theater.

Für die Welt: Gerechtigkeit und Fähigkeit

 

Danke, Christin!